Vorbemerkungen
Mit dem Ende der Osterferien und der geplanten allmählichen Öffnung der Schulen für den Präsenz-Unterricht sowie den fortzuführenden Fern-Unterricht liegt eine Reihe von Fragen an, die zeitig zu klären sind. Den Mitteilungen aus dem Bildungsministerium ist zu entnehmen, dass man
- Lerngruppen teilen möchte, damit Abstandsregeln eingehalten werden können.
- über die Ausweitung des Präsenz-Unterrichts auf den Nachmittag und den Sonnabend nachdenkt.
- die telefonische Sprechstundenregelung der Lehrer geregelt werden soll.
Der Geschäftsführende Vorstand nimmt wie folgt Stellung:
Seit Jahren weist der Philologenverband Schleswig-Holstein auf die enorm wachsende Belastung der Gymnasiallehrer hin. Auch in diesen besonderen Zeiten kann nicht hingenommen werden, dass weitere Aufgaben hinzukommen. Seit den Schulschließungen haben sich die Lehrer engagiert und solidarisch mit den Besonderheiten auseinandergesetzt, Kreativität gezeigt und Mehrarbeit geleistet. Diese besteht insbesondere in einer veränderten, meistens umfänglicheren Unterrichtsvorbereitung und Unterrichtsnachbereitung. Routine, auch positive Routine, zählt momentan nicht. Tagtäglich ist Unterricht neu zu planen, zu organisieren und auszuwerten. Eine direkte spontane Rückmeldung der Schüler entfällt, Lehrer machen sich umso mehr Gedanken über individuelle Lernwege. Sie erstellen interne YouTube-Sequenzen, um in der Oberstufe neue mathematische Themen einzuführen. Sie schwingen sich auf ihr Rad, um in der Kleinstadt Lernmaterial an ihre Schüler zu verteilen und Arbeitsergebnisse einzusammeln. Die Mehrbelastung entsteht weiterhin in einem vom zeitlichen Umfang her kaum vorstellbaren Kommunikationsaustausch zwischen Lehrern, ihren Schülern und deren Eltern. Hinzu kommen nahezu täglich Hinweise und Informationen aus Schule und Ministerium, die sehr kurzfristig umzusetzen sind. Und – das normale Geschäft läuft ja weiterhin: In dieser Phase des Schuljahres fertigen Gymnasiallehrer Erst- und Zweitkorrekturen an und erstellen Aufgaben für die mündlichen Abiturprüfungen.
All diese Mehrarbeit setzt sich nun verstärkt fort, wenn Präsenz- und Fern-Unterricht umzusetzen sind. Extreme Belastungen entstehen, wenn wöchentlich neue Stundenpläne erstellt und diese aufgrund ständig aktualisierter Vorgaben erst wenige Tage zuvor bekannt gegeben werden. Eine langfristige Planung ist nicht möglich. Vorausschauende Arbeit wird oftmals entwertet. In der Folge sollte eher darüber nachgedacht werden, den zeitlichen Anteil häuslicher Arbeitszeit um ein Vielfaches zu erhöhen und die Präsenzzeit in der Schule entsprechend zu reduzieren.
Vorhaben, Unterricht am Nachmittag oder am Abend zu halten, weisen in die völlig falsche Richtung. Wenn Lerngruppen verkleinert, also geteilt, werden müssen, fehlen Lehrer. Wenn Klassen halbiert werden, also der Unterricht zweimal zu erteilen ist, verdoppelt sich nicht automatisch die Zahl der Lehrer. Wenn Klassen in drei Lerngruppen geteilt werden, also der Unterricht … usw. usf. Hinzu kommt, dass voraussichtlich eine ganze Reihe von Kollegen durch Infektion mit dem Virus oder weil sie zu einer Risikogruppe gehören, zeitweise oder auch längerfristig nicht zur Verfügung stehen werden. Zusammenfassend ergibt sich eine einfache Gleichung:
Mit weniger Kollegen mehr und komplexere Arbeit zu leisten, kann nicht funktionieren!
Vielmehr könnte über alternative Unterrichtsmodelle, beispielsweise Fachtage, nachgedacht werden. Zudem wäre es dringend geboten, endlich eine flächendeckende Ausgabe von Leihcomputern an alle Schüler zu erreichen. Die Schulen sollten die Geräte im Klassensatz verleihen, damit alle das gleiche Endgerät haben.
Flexibel und spontan haben die Kollegen telefonische Sprechstunden für ihre Schüler eingerichtet. Bei Bedarf melden sich die Schüler per E-Mail bei ihren Lehrern, bekommen dann einen Telefontermin genannt und eine persönliche Beratung erfolgt bedarfsgerecht. Diese Vorgehensweise ist sinnvoll, weil sie Schülern und Lehrern abhängig von Fachinhalten, Aufgabenstellungen und individuellem Fortschritt einen gezielten Austausch ermöglicht. Angedachte, den Lehrern im Umfang vorgeschriebene, Sprechstunden würden pädagogischen Belangen sowie der zurzeit in hohem und vielfältigem Maße verlangten Flexibilität der Lehrer im Home-Office widersprechen.