Lieber Landesvorstand,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
lieber Jens ,
das ist doch eine Meldung: Der Philologenverband Schleswig-Holstein hat heute einen neuen Vorsitzenden gewählt und das mit großer Geschlossenheit. Das finde ich großartig!
Herzlichen Glückwunsch Jens! Ich wünsche Dir alles Gute in dieser Aufgabe, die in besonderer Weise herausfordernd ist und Dir gleichzeitig aber auch viel zurückgeben wird, indem sie spannende Aufgaben wie Begegnungen bereithält. Du wirst das toll machen, auch weil Du ein starkes Team mit kreuz und querdenkenden klugen, selbstbewussten Köpfe um Dich hast.
Überall in der Welt herrscht Aufbruch, Erneuerung, Verjüngung. Nicht immer zum Guten, wenn man mal von Schleswig-Holstein absieht.
Wir jedenfalls haben heute zu einem idealen Zeitpunkt den Generationenwechsel ganz unspektakulär vollzogen. Anders als in manchen Führungsetagen (ich denke mal ganz unverfänglich an den HSV), wo allzu oft hektische Wechsel, chaotische Widersprüchlichkeit und Diskontinuität die Regel sind, herrscht im schleswig-holsteinischen Philologenverband Verlässlichkeit und Kontinuität.
Wir sind in gutem Sinne konservativ! Wer hätte das noch vor ein, zwei Jahren gedacht: Jahrelang haben wir gegen die gymnasialfeindliche Borniertheit linker Bildungsideologen kämpfen müssen und nun auf einmal haben unsere Ideale, unsere pädagogischen Grundüberzeugungen wieder Konjunktur! Nicht nur das, sie haben empirische Evidenz und spiegeln den normalen Menschenverstand! Ich freue mich darüber.
Am Ende haben die Wählerinnen und Wähler die Bildungspolitik der letzten Jahre abgewählt. So funktioniert Demokratie!
Die Zeiten jahrzehntelanger ideologischer Verirrungen in der Schulpolitik haben ein Ende. Darüber können wir erst mal froh und stolz sein.
Jetzt beginnt eine neue Zeit. Nach der bildungspolitischen Schwerpunktsetzung, nämlich für den Erhalt des Gymnasiums zu kämpfen, geht es nun darum, unsere stets mitformulierten gewerkschaftlichen Ansprüche in den Vordergrund zu stellen.
Bei der Unterrichtsverpflichtung und dem Weihnachtsgeld sind noch einige Rechnungen offen. Da bleiben wir hartnäckig. Gute Schule braucht gute Arbeitsbedingungen, mit dem rechten Maß der Unterrichtsverpflichtung und ja – auch mit finanziellen Anreizen für die Lehrerinnen und Lehrer. Das gilt wegen des anrollenden Lehrermangels heute mehr denn je!
Vor zwölf Jahren haben die Altvorderen des Philologenverbandes mich für den Vorsitz ausgeguckt und mich überzeugt, dass ich die Aufgabe übernehmen müsste. Ich hatte wohl zwei Eignungsmerkmale: Keine Ahnung von Verbandsarbeit und keine Ahnung, was auf mich zukommen sollte.
In der Tat, zwölf Jahre mit schwindelerregenden Reformen, die viel Schaden angerichtet haben. Fünf mehr oder weniger unfreiwillige Wechsel an der Spitze des Ministeriums, Abwicklung des Erfolgsmodells Realschule, Einheitslehrer, dramatische, gegen uns gerichtete Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung, eine Vielzahl spannender Treffen mit Schwergewichten –in Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. auch einmal vor Gericht – wenn Sie wissen, wen ich meine. Eine Flut neuer Gesetze, Verordnungen, Fachanforderungen, Megathemen: Inklusion, Integration, TÜV rein, EVIT raus, „frontal-analog“ oder „lateral-digital“. Immer haben wir uns eingemischt, in einer Unzahl von Dialogforen und Arbeitsgruppen mitgestritten, mitgearbeitet, die Finger in die Wunden gelegt oder den Nagel auf den Kopf getroffen.
In Zwölf Jahren vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den anderen Landesverbänden im Bundesvorstand des deutschen Philologenverbandes und mit unseren Dachverbänden im dbb haben wir schlagkräftige Synergien aufgebaut. Freunde, Partner, gleichgesinnte Mitstreiter um sich zu wissen, macht stark!.
Zwölf Jahre, die wie im Fluge vergangen sind. Zwölf Jahre , die ich nicht missen möchte und die mir die Zuversicht vermittelt haben, dass wir sehr wohl etwas bewegen können, dass es sich lohnt, sich zu engagieren, dass Ausdauer und Standhaftigkeit irgendwann auch zum Erfolg führen. Jeder kann was tun, Jeder kann mitmachen!
Die Marke 100% Unterricht haben wir in die Welt gesetzt und als zentrales Kriterium der Bildungspolitik etabliert.
Zeit für Kinder, Zeit für Erziehung und Unterricht – wer konnte da widersprechen.
Den Einheitslehrer haben wir als Sargnagel des Gymnasiums gebrandmarkt. Jetzt wird das verkorkste Lehrkräftebildungsgesetz hoffentlich wieder auf die Füße gestellt.
Wegen der ungerechten Arbeitszeiterhöhung haben wir Protestaktionen gefahren, sind vor Gericht gezogen und werden für eine nächste Runde demnächst harte Untersuchungsergebnisse auf den Tisch legen, die die Politik diesmal nicht ignorieren wird.
Übrigens: am 21. Juni 2018 wird am Oberverwaltungsgericht eine von uns unterstützte Klage gegen die Arbeitszeitverordnung der Studienleiter verhandelt. Es ist gut, dass wir in unseren Reihen Menschen haben, die in unser aller Interesse vor Gericht ziehen. Sicher war unser erster Anlauf in Schleswig nicht ganz umsonst – wir werden sehen.
Nach einer bundesweiten Umfrage haben Schulleiter jüngst der Bildungspolitik ein sehr, sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt. Mich überrascht das nicht. Mich überrascht nur, dass gerade die wichtigste Gruppe, die für gute Schule zuständig ist – anders als wir – so lange geschwiegen hat. Ich wünsche mir, dass unsere Schulleiterinnen und Schulleiter der Gymnasien sich mit den Kolleginnen und Kollegen zusammenschließen und selbstbewusst dem ständig wachsenden Anforderungsdruck kraftvoll widersprechen. Lassen sie sich nicht in einem vermeintlichen Konkurrenzkampf auseinander dividieren! Gemeinsame Stärke kann Berge versetzen!
Natürlich habe ich, haben wir, auch Krisen durchlebt, Fehler gemacht und Konflikte ausgetragen, nicht alle Aktionen, Entscheidungen und Verlautbarungen, die wir oder ich in die Welt gesetzt haben sind auf Zustimmung gestoßen – manches gar auf reflexhafte heftige Ablehnung. Auch wir im Philologenverband sind nur Menschen und allesamt Lehrerinnen und Lehrer – wohl nicht die pflegeleichteste Spezies. Aber wenn es drauf ankam, dann haben wir in diesen Situationen äußerer Angriffe zusammengehalten und Streit unter uns meist schlichten können.
Dafür danke ich allen, insbesondere allen Mitgliedern des Landesvorstandes, die mich über die lange Zeit so selbstlos unterstützt, begleitet und mit klugem Rat gestärkt, manchmal auch wohltuend getröstet haben. Tiefschläge im bildungspolitischen Schlagabtausch sind viel leichter wegzustecken, wenn man weiß, dass eine Mannschaft hinter einem steht.
Danken möchte ich auch denjenigen, die mir über die Jahre so freundliche und anerkennende Briefe geschrieben haben – oft auch mit der Aufforderung, nicht locker zu lassen. Es hat mich gefreut, dass unsere Arbeit nicht nur von den Berufenen sehr aufmerksam verfolgt wird.
Freundschaften sind entstanden, die weit über unseren Verbandsalltag hinausreichen. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich freue mich schon darauf, wenn wir beim Grünkohl oder sonst wo – vielleicht auch in Wulfshagen oder in Heidkate – in anderen Rollen die bildungspolitische Debatte mit unserem philologischen Ethos weiter vorantreiben. Gymnasiale Bildung ist zu wichtig, als dass wir die Meinungsbildung darüber der Politik oder unserer gewerkschaftlichen Konkurrenz, der GEW, überlassen dürfen – das sind wir älteren unseren Enkelkindern schuldig.
Am liebsten würde ich mich von dieser Stelle bei allen Mitstreitern einzeln für die Unterstützung bedanken. Das würde den Rahmen sprengen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bleiben Sie gesund, fröhlich, streitbar, furchtlos und standhaft! Bewahren Sie sich ihren Humor und – vor allem – halten sie zusammen und lassen sie sich nicht unterkriegen. Passen Sie auf sich auf und passen Sie aufeinander auf!
Wir Philologen sind moderner als viele unserer bildungspolitischen Gegner mit abgenutzten Formeln die Öffentlichkeit glauben machen wollten – gerade auch weil wir aus fester Überzeugung nicht jeden modernistischen Unsinn mitgemacht haben..
Ich wünsche allen, die neu oder weiterhin im Philologenverband Verantwortung tragen aber auch allen anderen, die sich in den Schulen mit ganzer Kraft für ihre Schülerinnen und Schüler einsetzten und dabei unsere gymnasialen Ideale leben und weitertragen viel, viel Erfolg.
Machen Sie’s gut! Danke!
Helmut Siegmon